Gedenkmauer

Auf dem jüdischen Friedhof in Volkmarsen waren im Jahr 1938 noch 118 Gräber und Grabsteine vorhanden.

Ende 1938 wurde der Friedhof von nationalsozialistischen Gewalttätern verwüstet, alle Grabsteine wurden zerschlagen und zum Teil zur Wegebefestigung verwendet. Nach dem Krieg wurden auf behördliche Anordnung die Reste der zerschlagenen Grabsteine wieder ausgegraben und aufgesammelt.
Aus diesen Trümmern wurde damals an der hinteren Grenze des Friedhofs – für Passanten kaum wahrnehmbar – eine kleine Gedenkstätte errichtet.
Auf der seinerzeit angebrachten Gedenktafel fehlt jeglicher Hinweis auf das Schicksal der jüdischen Einwohner von Volkmarsen. Der Text bezieht sich nur auf die zerschlagenen Grabsteine.

Nach längerer Vorbereitung hat der Verein Rückblende Gegen das Vergessen auf meine Initiative eine völlige Neugestaltung des Eingangsbereichs am jüdischen Friedhof vorgenommen.
Direkt an einem stark frequentierten Rad- und Fussweg, dem Hauptzugangsweg zur Mittelpunktschule und an einer stark befahrenen Landesstrasse wurde eine ca. 18 m lange Mauer zum Gedenken an die ermordeten jüdischen Bürger der Stadt errichtet.

Die zum Bau der Mauer verwendeten hellen Sandsteine wurden aus Polen beschafft als symbolische Brücke zu den in Polen liegenden, während der Gewaltherrschaft im 2. Weltkrieg dort errichteten, Vernichtungslagern, in denen die Volkmarser Juden ermordet wurden.
Innerhalb des Mauerwerks wurden verschiedene Bruchsteine zerteilt und dadurch grosse sichtbare Lücken geschaffen. (Auf Anregung des Künstlers Dr. Horst Hoheisel, Kassel)
Diese unübersehbaren Öffnungen erinnern daran, dass die Opfer willkürlich aus dem Leben gerissen wurden, nur weil sie Juden waren.

Die innerhalb des Mauerverbunds fehlenden Steine wurden in unregelmässigen Abständen auf die Mauerkrone gesetzt in Anlehnung an den jüdischen Brauch, zum Andenken an die Verstorbenen Steine auf die Gräber zu legen.
Die im Verlauf der Mauer angebrachten 22 Edelstahltafeln erinnern an die Ermordeten.

Zwei grosse Tafeln auf den Pfeilern im Eingangsbereich enthalten weitere Erläuterungen zur Geschichte der jüdischen Gemeinde und der Geschehnisse während der NS-Zeit.
Unmittelbar vor der Mauer wurde ein ca. 100 qm grosser, ebenfalls mit Sandsteinen gepflasterter Platz geschaffen. Auf Vorschlag von Ernst Klein trägt dieser im Mittelpunkt der Stadt liegende Platz jetzt die Bezeichnung

Gedenktafel am Eingang des jüdischen Friedhofs

“Platz der gegenseitigen Achtung”

und ist eine würdige Versammlungsstätte für die vom Verein Rückblende Gegen das Vergessen regelmässig am 9. November und 27. Januar durchgeführten Gedenkveranstaltungen sein.
Das gesamte Bauwerk wurde vom Verein in ehrenamtlicher Arbeit geplant, errichtet, überwiegend durch Spenden und freiwillige Arbeitsleistungen finanziert und am 25. Mai 2005 unter Beteiligung zahlreicher Bürgerinnen und Bürger der Öffentlichkeit übergeben. Die Stadt Volkmarsen hat das Projekt u.a. durch die Erstellung der Fundamente unterstützt.

In kürzester Zeit ist der neu geschaffene Platz mit seiner besonderen Symbolik zu einem lebendigen Ort der Auseinandersetzung mit einem bisher verdrängten Teil der Stadtgeschichte geworden.
Das persönliche Schicksal der Ermordeten wurde vor dem Vergessen bewahrt und in den unübersehbaren Blickpunkt der Volkmarser Einwohner gestellt. Oft sieht man Menschen aller Altersgruppen, die auf ihrem Weg an der Mauer innehalten und die Gedenktafeln aufmerksam lesen.

Gemieden  Gedemütigt  Verjagt  Deportiert  Ermordet

Zur Erinnerung an die jüdischen Bürger der
Stadt Volkmarsen

Ihr Leid begann in unsere Mitte

25.05.2005
Die Mitglieder des Vereins Rückblende Gegen das Vergessen e.V., Volkmarsen

Die jahrhundertelang in Volkmarsen bestehende jüdische Gemeinde
wurde in der Zeit von 1933 bis 1942 durch erzwungene Emigration oder
Ermordung ihrer Mitglieder vollständig ausgelöscht.